Thorsten Keil von HempAge
Der Hanfträger aus Überzeugung
Seit mittlerweile 7 Jahren kümmert sich Thorsten um das Marketing und den Bereich der Corporate Social Responsibility bei der HempAge AG. Dabei steckt er viel Energie und Hoffnung in die Verbesserung der Arbeitsbedingungen an den Produktionsstandorten in China. HempAge ist ein alter Hase im Hanfkleidungsgeschäft und sorgt als Leadermitglied der Fair Wear Foundation für die Verbesserung der Bedingungen in der nachhaltigen Modebranche. Daneben wollen sie der Nutzpflanze Hanf wieder die positive Geltung in der Gesellschaft verleihen, welche diese auch verdient hat.
Hi Thorsten, kannst du dich in ein paar wenigen bis vielen Sätzen vorstellen? Wie bist du die Person geworden, welche gerade vor mir sitzt?
Hi, ich bin Thorsten und arbeite seit fast 7 Jahren bei HempAge. Ich habe Mode- und Textilmanagement in Hamburg studiert und während des Studiums ein Praktikum bei einem Sportartikelhersteller gemacht. Schon während des Studiums war ich mir relativ sicher, dass ich in die nachhaltige Richtung gehen möchte. Durch einen Freund bin ich dann auf HempAge aufmerksam geworden. Auf gut Glück habe Ich mich beworben und bin im Bereich Marketing eingestiegen. Mittlerweile habe ich zusätzlich noch den Bereich Corporate Social Responsibility übernommen. Kern dieser Tätigkeit ist die Zusammenarbeit mit der Fair Wear Foundation, um unsere sehr hohen Standards in den Fabriken aufrechtzuerhalten und diese regelmäßig kontrollieren zu können.
Wie ist dir bewusst geworden, dass für dich die nachhaltige Welt die richtige ist? Was waren hier deine Triggerpunkte?
Wenn man sich ein wenig intensiver mit Mode beschäftigt, kommt man irgendwann zu dem Schluss, dass es doch ein dreckiges Geschäft ist. Vor allem was die Produktionsbedingungen angeht. Das sickert natürlich durch die Medien durch wird aber noch intensiver wahrgenommen, wenn man in dem Bereich arbeitet. Es ist auf jeden Fall Potenzial nach oben vorhanden, wenn man gewillt ist etwas positiv zu verändern und Energie aufzuwenden. Schaut man sich das Wachstum vom Modemarkt aktuell an, stagniert fast alles im konventionellen Bereich. Der Markt ist sehr umkämpft. Die einzigen Potenziale und wachsenden Märkte, welche ich wahrnehme, sind im Sportbereich und im Nachhaltigkeitsbereich. Aus Arbeitnehmersicht macht es auf jeden Fall Sinn sich mit diesen beiden Sparten zu beschäftigen, vor allem wenn man Wert darauf legt etwas verändern zu können.
Euer Grundmaterial ist Hanf. Leider hat dieser Naturstoff in Deutschland noch mit einigen Vorurteilen zu kämpfen. Wie habt ihr euch hier positioniert?
Da gibt es zwei Hauptprobleme. Zum einen hast du das negativ behaftete Image von Hanf. Vor allem bei uns in Bayern. Das hängt ganz stark von der Drogenpolitik ab. Solange immer noch Busse herum-fahren mit dem Aufdruck „Drogen töten“ und einem aufgedruckten Hanfblatt, wird sich an dem Image auch kaum was ändern. Dazu muss gesagt werden, dass der Hanf in unserer Kleidung nichts mit dem klischeemäßigen, betäubenden Hanf zu tun hat. Wir verwenden Nutzhanf mit einem sehr geringen THC Gehalt. Ich werde oft von Freunden und Bekannten, welche sich nicht so intensiv mit dem Thema beschäftigen, scherzeshalber gefragt ob man unsere Kleidung rauchen kann. Das wäre prinzipiell möglich, aber es bringt so gut wie nichts. Das zweite Problem ist unser Produktionsstandort. Unser Hauptproduktionspartner befindet sich in China. Da werden wir immer wieder darauf angesprochen, wie man denn als faires Unternehmen in China produzieren kann. Hier unterstützt uns die Fair Wear Foundation. Wir haben hier als langjähriges Mitglied einen sehr guten Status mit HempAge erreicht.
Was genau macht die Fair Wear Foundation?
Das ist eine Organisation, welche sich für die Verbesserung von Sozialstandards vor allem in der Konfektion einsetzt, weil hier bekannter Weise die meisten Probleme im sozialen Bereich bestehen. Die typischen Probleme sind schlechte Arbeitsbedingungen, mangelhafte Arbeitssicherheit, Ungleichberechtigung und das niedrige Lohnniveau. Hieran arbeitet die Foundation und unterstützt die Mitgliedsunternehmen bei der Behebung dieser Missstände. Als Ziel hat die Foundation sich hinsichtlich Lohnniveaus gesetzt, dass man in naher Zukunft den living wage erreicht hat. Bei einem Produzenten in China haben wir den schon in allen Abteilungen erreicht. Beim anderen sind wir kurz davor, da sind wir richtig stolz darauf, dass das Lohnniveau auf so einem hohen Level ist. Es gibt noch andere Probleme, die sehr schwer zu lösen sind, z.B. die Überstundenproblematik, die natürlich dem geschuldet ist, dass es in der Modebranche saisonal bedingt zu Engpässen kommt. Alle Unternehmen wollen zu derselben Zeit die Produkte in der Produktion. Daher kommt es zu Engpässen und es müssen Überstunden aufgebaut werden. Dem versuchen wir entgegen zu wirken indem wir unsere Basicartikel in der Lowseason produzieren lassen. „Wenn man sich ein wenig intensiver mit Mode beschäftigt, kommt man irgendwann zu dem Schluss, dass es doch ein dreckiges Geschäft ist, vor allem was die Produktionsbedingungen angeht“
Und warum genau China?
Es ist nicht unser Anspruch irgendwohin zu gehen, wo es überhaupt keine Missstände gibt, da ist den Menschen auch nicht geholfen. Nur weil China oder Bangladesch ein schlechtes Image haben, lassen wir da nicht produzieren; Das ist Quatsch, das sollte nicht der Ansatz sein, vor allem in der Zusammenarbeit mit der Fair Wear Foundation. Gerade in solchen Län-dern sollte man auf jeden Fall aktiv werden, denn die Leute leben genau von dieser Arbeit. Wenn man es schafft hier etwas zu verbessern, ist den Menschen besser geholfen, als wenn man in Länder geht oder zu Unternehmen, wo es von vornherein keinerlei Problemen gibt.
China ist ja vor allem durch seine schlechten Arbeitsbedingungen und wenig Sinn für Nachhaltigkeit bekannt. Gibt es hier Potenzial für eine nachhaltige Welt?
Wir haben in China eine komplett konträre Welt vorgefunden. Viele Unternehmen, Märkte und Branchen legen schon seit einiger Zeit viel Wert auf eine nachhaltige Grundeinstellung, faire Entlohnung und Mitspracherecht der Mitarbeiter.
Bei unserem Hauptproduzenten wird die gesamte Anlage durch Solarenergie betrieben. Es gibt einen Betriebsrat.
Die Vorurteile, welche man als Laie hat, kein Mitspracherecht und Möglichkeit zur Beschwerde, haben wir dort nicht erfahren. Alle sind sehr offen vor allem was Verbesserungen angeht. Hinsichtlich der Produktionskosten ist China nicht mehr das beste Beispiel. Hier kann man definitiv nicht mehr richtig günstig produzieren. Der Großteil der Unternehmen ist nach Indien, Bangladesch und Afrika abgewandert. Die Hauptursache warum wir in China produzieren ist, dass dort die Produktion von Hanfbekleidung immer noch am besten gewährleistet ist. Man findet noch die Maschinen vor, welche in der Lage sind Hanffasern so zu verarbeiten, dass es qualitativ den hohen Ansprüchen der nachhaltigen Modeindustrie genügt. Diese tollen Voraussetzungen gibt es in kaum einem anderen Land der Welt mehr.
Was macht euch speziell als Unternehmen? Warum ist echt cool für dieses Unternehmen mit seinen Werten zu arbeiten?
Das ausschlaggebende Argument ist für mich, dass man sich bei HempAge für eine Sache einsetzt die sinnvoll ist. Hanf ist ein sehr sinnvoller Rohstoff aus ökologischer Sicht. Aus sozialer Sicht, vor allem in dem CSR Bereich, in dem ich unterwegs bin, ist es eine recht verantwortungsvolle Aufgabe. Wenn man bestimmte Punkte in den Fabriken verändert und die positiven Auswirkungen miterlebt, das ist schon eine Befriedigung. Die Vision von HempAge ist es den Hanfstoff bzw. die Hanfpflanze voranzubringen. Wir wollen dieser Nutzpflanze wieder die positive Geltung in der Gesellschaft verleihen, welche sie auch verdient hat. In vielerlei Hinsicht ist die Verwendung von Hanf sinnvoll, was z.B. den geringen Einsatz von Pestiziden und Wasserverbrauch betrifft. Da steht ausnahmslos jeder im Unternehmen dahinter und setzt sich dafür ein. Toleranz ist ein wichtiger Wert, welchen wir leben. Wir sind ein offenes Unternehmen und bei uns arbeiten auch verschiedenste Charaktere, welche trotzdem eben diese Idee von qualitativ hochwertiger Hanfbekleidung innehaben und davon überzeugt sind.
Was bietet ihr aktuell für Produkte an? Auf was können wir uns in naher Zukunft freuen?
Jedes einzelne unserer Hanfkleidung beinhaltet Hanf. Meistens ist das ein Mischgewebe. Die gängigste Mischung besteht aus 55 Prozent Hanf und 45 Prozent Biobaumwolle. Je mehr Hanf im Kleidungsstück enthalten ist, desto teurer wird dieses in der Regel auch. Ein T-Shirt mit 100 Prozent Hanf kostet im Laden immer noch 100 Euro. Da sind die wenigsten Kunden bereit, so viel Geld für ein so schlichtes Kleidungsstück auszugeben. Deswegen und die aufgrund der höheren Stabilität verwenden wir ein Mischgewebe. Dieses T-Shirt aus 100 Prozent Hanf ist trotzdem etwas sehr Besonderes. Hier werden die längsten Hanffasern verwendet, vom Griff fast wie Seide, ganz fließender Stoff, einfach etwas sehr Edles. Die meisten Menschen verbinden mit Hanf eher etwas Robustes, dickes. Das ist eher das Gegenteil und trägt sich auch wahnsinnig gut. Mit der Jeansproduktion haben wir auch seit einigen Jahren Fortschritte gemacht.
Mittlerweile habe wir es geschafft den richtigen Jeanscharakter herzustellen, mit einer Mischung aus 55 Prozent Hanf und 45 Prozent Biobaumwolle. Hier sind wir jetzt auch gerade dabei die Produktpalette noch zu erweitern mit neuen Schnitten und anderen Farben.
Wir wirken sich die beruflichen Einflüsse auf dein Privatleben aus? Wie kommt das Thema bei Freunden an?
In meinem Freundeskreis gibt es die unterschiedlichsten Charaktere. Einige davon sind sehr interessiert an nachhaltiger Mode. Die statte ich dann auch regelmäßig mit unseren Produkten aus. Daneben gibt es aber auch andere, welche da nicht so interessiert sind. In erster Linie soll einem Mode gefallen. Ich möchte niemanden überreden, niemanden belehren. Ich kann nur darauf aufmerksam machen und es jedem an die Hand geben. Ich finde es richtig schön, wenn man nachhaltige Labels unterstützt. Ich denke es ist auch schon viel geholfen, wenn man sein Kaufverhalten einfach ein wenig reflektiert und ein wenig bewusster einkauft. Privat hat sich mein Kaufverhalten komplett gewandelt seit ich bei HempAge arbeite. Ich kaufe mittlerweile nur noch Dinge ein, welche ich wirklich brauche und qualitativ auch etwas Besonderes sind. Ich informiere mich schon sehr genau und überlege ganz genau was ich kaufe. Oftmals sehe ich im Schaufenster ein T-Shirt und denke an den großen Wasserverbrauch, den Arbeitseinsatz und die verbrauchte Energie. Das T-Shirt wird dann beim konventionellen Hersteller für 5 Euro angeboten. Das ist richtig respektlos der Natur und den Menschen gegenüber. Die Marke HempAge ist nicht so emotionsgeladen wie andere gängige Marken. Man zahlt bei uns nicht die Marke an sich, wie bei anderen Labels, man zahlt diesen Betrag, weil es ein hochwertiges Produkt ist.
Kannst du trotzdem konventionelle Käufer verstehen?
Natürlich. Das ist ja auch oftmals eine Kostenfrage. Wenn ich das aus der Sicht eines Teenagers betrachte, welcher Wert legt auf gute Marken, modische Aktualität, der auf den Punkt dann immer die Mode tragen möchte, dann will ich ihm den Spass auch nicht nehmen. Das ist ja auch eine schöne Sache an sich. Das sollte jeder für sich entscheiden. Wenn man sich aber ein bisschen genauer mit der Thematik beschäftigt, kommt man kaum drumherum zumindest sein Konsumverhalten zu bedenken. „Dieses T-Shirt aus 100 Prozent Hanf ist trotzdem etwas sehr Besonderes. Hier werden die längsten Hanffasern verwendet, vom Griff fast wie Seide, ganz fließender Stoff, einfach etwas sehr Edles.“
Gibt es Inspirationsquellen (Bücher, Unternehmen, Magazine, Podcasts, etc.) welche dich tagtäglich antriggern?
Ich nehme eigentlich die Informationen so im Vorbeigehen auf. Die Fair Ware Foundation stellt uns viel Informationsmaterial zur Verfügung, z.B. Countrystudies von Ländern die wir als aktiven Standort in Betracht ziehen. Die Hanfbibel von Bröckers kann ich sehr empfehlen, wenn man sich mal näher mit dem Thema beschäftigen möchte. Ich schaue gerne Filme, lese mir auch oft gerne den Roman zu einer Romanverfilmung durch und schaue was die Unterschiede sind. Spannend ist dann zu sehen ob das Buch besser ist als der Film oder andersrum.
Dann hau doch mal einen Filmtipp raus.
Hmmm, ich möchte jetzt nicht mit so alten Schinken ankommen deshalb nehme ich ein etwas aktuelleres Beispiel aus dem Jahre 2015; Ex Machina. Ein kleiner feiner Science-Fiction Film über künstliche Intelligenz. Den finde ich schon sehr spannend, auch sehr ästhetisch.
Gibt es abschließend ein Thema, über das du noch sprechen möchtest?
Ich hätte noch gerne etwas über die Bast und Faser GmbH gesprochen, unserer Tochtergesellschaft. Das ist eine Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft, die sich dafür einsetzt, dass die Entwicklung der Maschinen zur Hanfverarbeitung vorangetrieben wird. Wir entwickeln auch selbst Verarbeitungsmaschinen, weil hier jahrzehntelang stillstand geherrscht hat in dem Bereich. Es gibt wahnsinniges Potenzial die Faserqualität verbessern kann.
Vielen lieben Dank für dieses tolle Interview Thorsten.
Autor
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Quellen (1) Dominik Haselbauer |