Leinen – nur gemein?

Leinen – nur gemein?

Leinen – nur gemein?

Der gemeine Lein: Hierbei handelt es sich keineswegs um eine unbeliebte Pflanze oder gar Unkraut. Die Bezeichnung kommt vom lateinischen Namen der Pflanze: Linum usitatissimum. 
Dabei ist der Zusatz „usitatissimum“ zu übersetzen mit „gebräuchlich, üblich“. Der gemeine Lein ist also die heute üblicherweise angebaute Sorte Lein. Flachs ist eine weitere Bezeichnung, die einem häufig begegnet. Die aus den Pflanzen gewonnen Fasern nennt man Leinen.
Leinen ist eine Naturfaser wie auch Baumwolle und Hanf. Sie lässt sich dabei ähnlich vielfältig einsetzen und erfreut sich zunehmend großer Beliebtheit. Besonders mit der Hanfpflanze teilt sie einen Vorteil:

Blog-Beitrag-Leinen– nur gemein?-Nachhaltige-Materialien-Leinenpflanze

Die gesamte Pflanze lässt sich verarbeiten, sodass am Ende kein Pflanzenteil als Abfall endet. Einige Verwendungszwecke erscheinen sicher ungewöhnlich, gerade wenn wir nur an luftige Sommerkleidung denken.
Die Samen können zu wertvollem Öl gepresst werden, der übrig gebliebene Presskuchen dient als nahrhaftes Viehfutter
Heute sowie früher wird das Material für die Herstellung von Leinwänden eingesetzt. Bei Künstlern wie Vincent van Gogh waren diese schon früher beliebt.
Aus den langen Fasern werden Garne gesponnen, die dann zu Stoffen gewebt werden.
Kurze Fasern werden als Dämmmaterial in der Baubranche eingesetzt.
Auch in der Automobilherstellung wird mit Flachs experimentiert. Als besonders leichtes Material lässt sich damit Gewicht einsparen. (1) 

Kleidung aus Leinen hat viele Vorteile

Blog-Beitrag-Leinen– nur gemein?-Nachhaltige-Materialien-Leinenblüte

Das Material ist sehr robust und reißfest, außerdem Flusen frei und auch schmutzabweisend. Leinenstoffe sind atmungsaktiv und haben einen kühlenden Effekt: Die Faser kann Feuchtigkeit aufnehmen und wieder abgeben, die entstehende Verdunstungskälte macht das Material ideal für Sommerkleidung geeignet. Ein Nachteil: Leinenstoffe knittern sehr schnell, da sie gänzlich unelastisch sind.

Tipps für längere Haltbarkeit bei Textilien aus Leinen
Die Wäsche möglichst im Schongang waschen und nicht in den Trockner geben. Das Material ist anfällig für Reibung.
Nach der Wäsche am besten feucht bügeln, da trockene Hitze das Material angreift. 
Weitere Vorteile liegen in der Möglichkeit des regionalen und biologischen  Anbaus. Das reduziert unseren ökologischen Fußabdruck und schont die Umwelt. Durch die später beschriebene Röste ist der Boden weniger ausgelaugt und benötigt weniger Düngemittel.

Ein früh erkannter Rohstoff

Blog-Beitrag-Leinen– nur gemein?-Nachhaltige-Materialien-Leinen-Blatt-und-KnospeFlachsfasern sind den Menschen schon sehr lange bekannt. Die ältesten Funde stammen aus ca. 36.000 v.Chr. Lange Zeit wurden daraus Textilien hergestellt, die aufgrund der robusten Art beliebt waren.
Im alten Ägypten wurden Mumien in Leinentücher gewickelt. Diese haben so zur Konservierung beigetragen und sind noch heute an Mumien im Museum zu bestaunen. 
Im Mittelalter wurden Stoffe aus Flachs zu einer bedeutenden Handelsware. Als die Industrialisierung dann jedoch auch Maschinen zur effizienteren Verarbeitung des Rohstoffes hervorbringt, verarmen viele Weber. Es entstanden große Fabriken zur Stoffherstellung. Diese konnten sich gegen die aufkommende Baumwollproduktion aber auch nicht durchsetzen. So verschwanden Leinenstoffe für eine Zeit lang von der Bildfläche. Seit der Fokus aber wieder auf nachhaltigere Rohstoffe gesetzt wird, gewinnt auch Flachs wieder an Bedeutung.

Von der Pflanze zur Hose

Bis aus der Pflanze auf dem Feld eine Hose im Laden wird, finden einige Arbeitsschritte statt. Als die entsprechenden Maschinen noch nicht erfunden waren, bedeutete das einen enorm großen Aufwand.

Ein altes Sprichwort sagt
Den hundertsten Tag aussäen, hundert Stunden im Boden, hundert Tage über dem Boden. (2) Das bedeutet, das vorzugsweise 100 Tage nach Neujahr ausgesät wird, nach 100 Stunden im Boden zeigen sich die ersten Keime. Sind weitere 100 Tage verstrichen, ist der Flachs erntereif. Am besten wächst die Pflanze bei maritimem Klima mit abwechselnd Sonne und Regen, Wind. Ein lehmiger Boden ist ebenfalls von Vorteil. In Belgien und Frankreich wird daher an den Küsten qualitativ sehr hochwertiger Flachs angebaut. In Deutschland sind die Bedingungen nur im küstennahen Norden gegeben. Nach der Ernte wird die Pflanze weiterverarbeitet. (3)

Die Verarbeitung geht weiter

  1. Raufen: Der reife Flachs wird mit der Wurzel aus dem Boden gezogen. Dadurch bleibt die ganze Pflanze erhalten. Anschließend wird der Flachs gebündelt und auf dem Feld getrocknet.
  2. Riffeln: Nun werden die Samenkapseln von den Stängeln getrennt. Dafür werden sie ausgekämmt, indem die Fasern durch einen groben Eisenkamm gezogen werden.
  3. Rösten: Der Flachs wird jetzt nicht etwa erhitzt und Weiter getrocknet. Das Gegenteil findet statt: Unter dem Einfluss von Feuchtigkeit sollen Bakterien im Flachs „arbeiten“. Ein Fäulnisprozess setzt ein, dadurch lassen sich die Fasern später besser vom harten Holzkern trennen. Die Pflanzen werden dafür auf dem Feld ausgebreitet. Heute kann der Prozess auch mit Maschinen erreicht werden. Ein Vorteil der Röste: Durch die Lagerung auf dem Feld werden durch Regen und Tau die im Flachs enthaltenen Nährstoffe wieder ausgewaschen. Sie gelangen auf natürliche Weise zurück in den Boden und machen ihn wieder fruchtbarer. Zwar werden im konventionellen Anbau auch Pestizide eingesetzt, die Menge fällt aber geringer aus.
  4. Brechen: Der harte Holzkern steht der Gewinnung feiner Fasern im Weg. Die Flachsstängel werden gebrochen. Dadurch fallen kleine Holzteile, die sogenannten Schäben, aus den Stängeln.
  5. Schwingen: Die letzten verfangenen Schäben werden aus den Fasern beseitigt.
  6. Hecheln: Zuvor ist der Flachsbast entstanden. Damit daraus Fäden gesponnen werden können, muss dieser in einzelne Fasern aufgebrochen werden.Dafür wird der noch grobe Bast durch Kämme gezogen, dass spaltet ihn in feine Fasern. 
  7. Endlich sind die Fasern bereit, um gesponnen zu werden. Aus den gewonnen Fäden können dann Stoffe gewebt werden. Man unterscheidet dabei zwischen Halbleinen und Reinleinen.  Halbleinen muss zu mindestens 40% aus Leinen bestehen, meist wird Baumwolle mit verwebt. Reinleinen besteht dagegen aus 100% Leinen. Diese Stoffe können jetzt weiterverarbeitet werden. (4)

Auf Bauernhöfen galt früher folgendes Sprichwort
“Spinnen am Morgen – Kummer und Sorgen, Spinnen am Abend- erquickend und labend“. Konnte die Familie es sich leisten erst am Abend nach der üblichen Arbeit zu spinnen, dann stand es gut um den Hof. Musste jedoch morgens schon damit begonnen werden um Geld mit dieser Nebentätigkeit zu verdienen, dann war das ein Zeugnis der Armut. (5)

 

Autor

ThinxGreen Autorin Annika Schönicke
Annika Schönicke
(alle Zeichnungen in diesem Artikel wurden von Annika handgezeichnet)

Quellen

(1) Leinen, Faser der Zukunft – FUTUREMAG – ARTE

(2) http://www.r-steger.de

(3) https://www.leitnerleinen.com

(4) http://www.gesamtverband-leinen.de / Film: Flachs – wie aus der Flachsfaser ein Leinenstoff hergestellt wird

(5) http://www.r-steger.de